Au-pair-Programm in der Krise

Visumprobleme gefährden interkulturellen Austausch in Deutschland

Während Politik und Medien in Deutschland empört auf die geplanten Einschränkungen von Austauschprogrammen in den USA reagieren, eskaliert die Lage vor der eigenen Haustür: Das deutsche Au-pair-Programm steht still – nicht aus Mangel an Interesse, sondern wegen dramatischer Probleme im Visumverfahren.

Was derzeit viele als Skandal in den USA sehen – Visa-Blockaden und politische Hürden für Studierende, Au-pairs und Austauschschüler – ist für zahlreiche Au-pairs, die nach Deutschland kommen wollen, längst bittere Realität. Bewerberinnen und Bewerber aus vielen Herkunftsländern erhalten keine Visumstermine, warten über zwei Jahre auf einen Botschaftstermin oder erhalten schlicht keine Rückmeldung. In besonders betroffenen Ländern liegt die Ablehnungsquote bei 70 bis 90 Prozent. Hinzu kommen Berichte über Termine, die auf dem Schwarzmarkt verkauft werden.

Die Gütegemeinschaft Au pair e. V., Dachverband qualitätszertifizierter Vermittlungsagenturen, schlägt Alarm: „Was wir derzeit erleben, ist de facto das Ende des begleiteten Au-pair-Programms in Deutschland“, sagt Cordula Walter-Bolhöfer, Sprecherin der Gütegemeinschaft. „Wir verlieren den Anschluss daran, junge Menschen weltweit für Deutschland zu begeistern – nicht, weil das Au-pair-Modell überholt wäre, sondern weil unsere Visapolitik und Auslandsvertretungen zunehmend zum Hindernis werden.“

Während Austauschprogramme in den USA vermehrt eingeschränkt werden, erleben Au-pairs auf dem Weg nach Deutschland eine mindestens ebenso restriktive Realität – allerdings ohne politische oder mediale Debatte. Die Wut über die US-amerikanischen Pläne wirkt scheinheilig, wenn gleichzeitig in Harare, Antanarivo, Kathmandu, Jakarta, Bangalore kaum mehr ein Visum vergeben wird.

Interkultureller Austausch, Familienentlastung, Sprachförderung und internationale Verständigung – all das steht auf dem Spiel. Dabei wäre eine Lösung greifbar: Eine priorisierte und transparente Visumvergabe für Au-pairs über RAL-zertifizierte Agenturen, wie sie von der Gütegemeinschaft vorgeschlagen wird, könnte sofort Entlastung schaffen und Missbrauch verhindern.

„Wenn wir weiterhin erwarten, dass junge Menschen aus aller Welt unsere Sprache und Kultur kennenlernen wollen, dann müssen wir ihnen auch die Türen öffnen“, mahnt die Gütegemeinschaft. „Sonst wird Deutschland als Gastland bald keine Rolle mehr spielen – und das wäre ein großer kultureller Verlust.“

 

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